Die Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz hat den Anspruch, ihr breites Wissen auch in den politischen Diskurs einzubringen, um die Kinderrechte zu stärken und für eine kindgerechte Justiz zu sorgen. Hierfür hat sie sich im Jahr 2024 unter anderem an zahlreichen Vernehmlassungsvorlagen beteiligt. Im kommenden Jahr werden insbesondere die politischen Entwicklungen bei der geplanten Verankerung der Gewaltfreien Erziehung im ZGB sowie das weitere Vorgehen des Bundessrats bei der Motion Noser für eine öffentlich-rechtliche Ombudsstelle für Kinderrechte wichtig sein.
Mit einer ZGB-Anpassung verschärft die Schweiz endlich ihre Bestimmungen zu Ehen Minderjähriger. Mit der Revision werden bestehende Massnahmen im Zivilgesetzbuch weiter verbessert und mit besonderen Regelungen zur Nichtanerkennung von Minderjährigenehen im internationalen Privatrecht verstärkt. Gerichte können künftig Ehen bis zum 25. Lebensjahr eines minderjährig verheirateten Ehepartners für ungültig erklären. Ziel ist, dass nach Erreichen der Volljährigkeit primär die betroffene Person, aber auch die Behörden genügend Zeit bekommen, um allenfalls gegen die Ehe vorzugehen. Die Ombudsstelle hatte sich bereits in die Vernehmlassung eingebracht und wurde von der zuständigen Kommission im vergangenen Jahr angehört. Zudem hat sie sich auch in der weiteren parlamentarischen Detailarbeit im Frühjahr mittels Positionspapier eingebracht. Die Revision ist erfreulich und stärkt die Rechte von Jugendlichen.
Bundesrat mit ungenügender Umsetzung der Motion Noser
Enttäuschend war hingegen die bundesrätliche Vernehmlassungsvorlage zur Umsetzung der Motion Noser 19.3633 «Ombudsstelle für Kinderrechte». Die Ombudsstelle hatte sich mit einer ausführlichen Stellungnahme eingebracht (siehe Blogbeitrag vom 1. Februar 2024). Die grosse Mehrheit der Parteien, der Kantone und Organisationen teilten die kritische Ansicht und lehnen die vorgeschlagene Anpassung in der Verordnung über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (KJFV) als Umsetzung der Motion Noser ab (siehe Blogbeitrag vom 26. April 2024). Wir bleiben deshalb zuversichtlich, dass der Bundesrat, den effektiven Auftrag des Parlaments doch noch erfüllt und eine Botschaft auf Gesetzesstufe ausarbeitet, welche die Grundlage für eine öffentlich-rechtliche, nationale und unabhängige Ombudsstelle für Kinderrechte schafft, die sich effektiv und direkt an Kinder richtet.
Verankerung der Gewaltfreien Erziehung im ZGB
Mit der im Jahr 2022 überwiesenen Motion 19.4632 | Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern wurde der Bundesrat beauftragt, im Schweizerischen Zivilgesetzbuch ZGB einen Artikel aufzunehmen, indem für Kinder das Recht auf gewaltfreie Erziehung verankert wird. Kinder sollen vor körperlicher Bestrafung, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Massnahmen geschützt werden. Im August 2023 eröffnet der Bundesrat die Vernehmlassung zu seinem Entwurf, an dem auch die Ombudsstelle eine Stellungnahme einreichte. Am 13. September 2024 hat der Bundesrat die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet, die erfreulich ausfällt. Die zuständige parlamentarische Kommission hat ihre Beratung zur Vorlage im November aufgenommen. Die Ombudsstelle hat hierzu in einem Schreiben vier aus ihrer Sicht wichtige Punkte nochmals eingebracht.
Stiefkindadoption vereinfachen und beschleunigen
Mit der Motion 22.3382 | Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption verlangt das Parlament vom Bundesrat, dass das Adoptionsrechts revidiert wird. Ziel dabei ist es, dass in Fällen, bei denen ein Kind seit Geburt mit dem rechtlichen Elternteil und der adoptionswilligen Person, d.h. mit dem Wunschelternteil, zusammenlebt, die Stiefkindadoption vereinfacht und beschleunigt wird. Die Vernehmlassung lief bis zum 17. Oktober 2024, die Ombudsstelle hat davon Gebrauch gemacht und sich mit einer Vernehmlassungsantwort eingebracht. Die Botschaft z.H. des Parlaments ist noch pendent.
Stärkung der familienergänzende Kinderbetreuung
Mit der Parlamentarischen Initiative 21.403 | Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung soll die befristete und mittlerweile mehrfach verlängerte Anstossfinanzierung abgelöst und überführt werden - in eine stetige Unterstützung, welche eine massgebliche Vergünstigung der Elternbeiträge und eine Verbesserung der frühkindlichen Bildung bewirkt mit dem Ziel, die Entwicklungschancen der Kinder zu erhöhen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Der Ständerat hat im Dezember einer stark überarbeiteten Vorlage seiner Sachbereichskommission teilweise zugestimmt. Nun geht die Vorlage zurück in den Nationalrat. Die Ombudsstelle hatte sich auch hier früh mit einer Stellungnahme eingebracht.
Kanton Zürich will Kinder- und Erwachsenenschutzrecht weiter optimieren
Auch auf kantonaler Ebene hat sich die Ombudsstelle eingebracht – so unter anderem bei der Vernehmlassung im Kanton Zürich zur Teilrevision des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts des Kantons Zürich. Dieses Gesetz hat sich seit seiner Inkraftsetzung im Jahr 2013 im Grundsatz bewährt, weist aber gemäss einer Analyse Schwachstellen auf. So sind beispielsweise die Verfahren zu kompliziert geregelt und dauern zu lange. Auch hier hat die Ombudsstelle im Sinne einer verbesserten Vorlage seine Expertise mittels Stellungnahme eingebracht.
Die zahlreichen Vorlagen und deren Ergebnisse zeigen, dass zur Stärkung der Kinderrechte punktuelle Verbesserungen erzielt werden konnten. Zahlreiche Baustellen – wie beispielsweise fehlende spezifische Bestimmungen zur fürsorgerischen Unterbringung von Minderjährigen, die zwingende Vorgaben zur Einsetzung einer Rechtsvertretung bei einer Fremdplatzierung oder bei minderjährigen Opfern, ungenügende Vorgaben zur Durchsetzung von Anhörungen in Scheidungs-, Kindesschutz- und Schulrechtsverfahren, fehlende rechtliche Grundlagen für Unterstützungsmassnahmen für Care Leaver:innen sowie ungenügende verbindliche Informationspflichten seitens Fachpersonen gegenüber Kindern und Jugendlichen - bleiben aber bestehen und gilt es von Seiten der Ombudsstelle für Kinderrechte weiterhin zu benennen.