Medienkonferenz «Kinderfreundliche Justiz: aktuelle Situation und nächste Schritte»

20. Mai 2025

 

Zürcher Justiz: Ein Meilenstein für Kinderrechte

Am 20. Mai 2025 wurde im Medienzentrum Walcheturm ein bedeutender Meilenstein für die Rechte von Kindern im Zürcher Justizsystem gesetzt. Die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich präsentierte mit dem umfassenden Bericht «Kindgerechte Zürcher Justiz» eine klare Botschaft für kindgerechte Verfahren und Abläufe. Regierungsrätin Jacqueline Fehr, der leitende Oberjugendanwalt Roland Zurkirchen sowie unsere Geschäftsführerin Irène Inderbitzin erläuterten dabei die wichtigsten Ergebnisse und formulierten die ambitionierten Ziele des Berichts.

Regierungsrätin Jacqueline Fehr eröffnete die Pressekonferenz mit einem deutlichen Appell: Die Teilhabeförderung, der Schutz der Kinder, die Stärkung der Kinderrechte und die kindgerechte Gestaltung von Justizverfahren haben höchste Priorität. Bereits im Jahr 2021 wurde das zukunftsweisende Projekt «Child-friendly Justice» ins Leben gerufen. Vier Jahre später dokumentiert der vorliegende Bericht nicht nur die erzielten Fortschritte, sondern benennt auch unmissverständlich die weiterhin bestehenden Herausforderungen. Zentral ist dabei die gesellschaftliche Teilhabe aller: «Unser erklärtes Ziel ist es, dass sich alle Menschen in unserer Gesellschaft – und dies gilt insbesondere für Kinder – ernst genommen und gehört fühlen», betonte Fehr nachdrücklich. 

Für die zuständigen Behörden bedeutet dies eine besonders aufmerksame Haltung gegenüber verletzlichen Personen, wie beispielsweise Kindern, die oft vor grossen Herausforderungen stehen. Ein Justizverfahren stellt in jedem Fall eine solche Herausforderung dar – unabhängig davon, ob man als Kind in einem hochstrittigen Scheidungsprozess involviert ist oder in einem Strafverfahren als Beschuldigte oder Beschuldigter, als Opfer, als Zeugin oder Zeuge oder als Angehörige oder Angehöriger involviert ist.

 

Fortschritte und Herausforderungen im Detail

Im weiteren Verlauf erläuterte Regierungsrätin Fehr die konkreten Fortschritte auf dem Weg zu einer kindgerechteren Justiz. Diese positiven Entwicklungen haben in fünf zentralen Departements-Einheiten stattgefunden. Gleichzeitig wies sie aber auch auf die verbleibenden Herausforderungen hin, die es in den kommenden Jahren anzugehen gilt. Hier ein detaillierter Überblick aus ihrem Bericht:

  • Staatsanwaltschaft: Sensible Befragungen werden zum Standard
    • Fortschritt: Kinder erhalten in der Staatsanwaltschaft ein geschütztes Umfeld, in dem sie ihre Aussagen machen können. Sie werden dabei von spezialisierten Fachpersonen professionell unterstützt.
    • Herausforderung: Eine zentrale Herausforderung bleibt es weiterhin, Verfahren trotz oft komplexer Sachverhalte und einer hohen Anzahl von Fällen zügig und effizient abzuschliessen.

       
  • Jugendstrafrechtspflege: Aktive Partizipation und erfolgreiche Mediation
    • Fortschritt: Leitender Oberjugendanwalt Roland Zurkirchen hob hervor, dass die Verfahren in der Jugendstrafrechtspflege so gestaltet werden, dass sie für junge Menschen verständlich sind und diese aktiv in den Prozess eingebunden werden. Das Mediationsverfahren erweist sich hierbei als besonders wertvoll, da es eine echte Partizipation ermöglicht.
    • Nächster Schritt: Ein vielversprechendes Pilotprojekt zur Einführung eines kindgerechten Feedbacksystems befindet sich aktuell in Vorbereitung.

       
  • Justizvollzug: Besuchsregelungen wurden deutlich verbessert
    • Fortschritt: Kinder von inhaftierten Elternteilen profitieren nun von deutlich erweiterten Besuchszeiten. Zudem wurden kindgerecht eingerichtete Räumlichkeiten mit vielfältigen Spielmöglichkeiten geschaffen.
    • Begleitende Massnahme: Geschultes Personal begleitet die Besuche aufmerksam, um potenziellen Traumatisierungen wirksam vorzubeugen.

       
  • Gemeindeamt (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden – KESB): Stärkere Beteiligung der Kinder
    • Fortschritt: Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) binden Kinder aktiver in wichtige Entscheidungen ein und informieren sie in einer verständlichen Sprache über ihre Rechte.
    • Wirkung: Diese Massnahmen stärken die Selbstwirksamkeit der Kinder und tragen erheblich zu ihrem Schutz bei.

       
  • Kantonale Opferhilfestelle: Niederschwelliger und barrierefreier Zugang zu Hilfe
    • Fortschritt: Psychologische und rechtliche Unterstützung für Kinder, die Opfer von Straftaten geworden sind, ist nun wesentlich leichter zugänglich und wurde barrierefrei gestaltet.

 

Die volkswirtschaftliche Bedeutung einer kindgerechten Justiz

Unsere Geschäftsführerin, Irène Inderbitzin, unterstrich während der Pressekonferenz die immense Bedeutung der konsequenten Umsetzung der Kinderrechte im Kanton Zürich und der ganzen Schweiz. Sie bedankte sich ausdrücklich für das grosse Engagement des Kantons in diesem wichtigen Bereich. Obwohl die Schweiz die UN-Kinderrechtskonvention bereits im Jahr 1997 ratifiziert hat, würden Kinder nach wie vor nicht immer ausreichend angehört und in Entscheidungsprozesse einbezogen.

Für die anwesenden Medien erläuterte Irène Inderbitzin die wichtige Rolle der unabhängigen Ombudsstelle. Diese klärt Kinder über ihre Rechte auf und vermittelt zwischen Kindern und Fachpersonen. Sie unterstützt sie aktiv in schwierigen Lebenssituationen. Sie ging auch auf die aktuelle Situation der Ombudsstelle ein: Momentan agiert sie als ein durch Förderstiftungen, Bund und einzelne Kantone wie Zürich finanziertes Modellvorhaben. Das Ziel ist jedoch die Etablierung einer nationalen, öffentlich-rechtlichen Lösung, um die Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit langfristig zu sichern.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den Irène Inderbitzin hervorhob, waren die deutlichen finanziellen Vorteile einer frühzeitig intervenierenden Ombudsstelle. Gemäss der fundierten Wirkungsanalyse von INTERFACE Politikstudien (über die wir bereits in unserem Blog berichtet haben), lassen sich durch die Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten der Ombudsstelle durchschnittlich beeindruckende 170'000 Franken pro Kind einsparen. Dies bedeutet, dass ab einer Wirkung bei nur sechs Kindern und Jugendlichen der Nutzen die Investitionen der Ombudsstelle von bisher 1 Million Franken pro Jahr aufwiegt. Sechs Kinder entsprechen gerade einmal 2% der Kinder und Jugendlichen, die im Jahr 2023 von der Ombudsstelle erreicht wurden. Unsere rechtliche Beratungs- und Vermittlungstätigkeit hat seit 2021 über 1'200 Familiensituationen positiv verändert. Darüber hinaus gehen unsere Schätzungen davon aus, dass wir durch unsere Arbeit und die Skalierungseffekte bei den Fachpersonen, die wiederum zum Wahren der Kinderrechte in ihren Tätigkeiten beitragen, über 100'000 Kinderleben positiv beeinflusst haben. 

Um die nachhaltige Weiterentwicklung der kindgerechten Justiz zu gewährleisten, wird die Ombudsstelle zukünftig jährlich die Fortschritte der Zürcher Justiz überprüfen und konkrete, umsetzungsorientierte Empfehlungen zur weiteren Optimierung aussprechen. Dadurch soll die Qualität der implementierten kindgerechten Massnahmen kontinuierlich gesteigert werden.

 

Ein bedeutender Meilenstein für Zürich – ein kontinuierlicher Weg nach vorn

Regierungsrätin Jacqueline Fehr betonte abschliessend nochmals, dass Zürich mit der konsequenten Umsetzung der kindgerechten Justiz eine wichtige Vorreiterrolle in der Schweiz einnimmt. Gleichzeitig machte sie aber auch deutlich: «Wir sind noch nicht am Ziel unserer Bemühungen.» 

Die kontinuierliche und qualitativ hochwertige Weiterbildung der beteiligten Fachpersonen, eine verbesserte und effizientere Vernetzung der verschiedenen involvierten Stellen sowie die Beschleunigung der Verfahrensabläufe bleiben zentrale Herausforderungen, denen wir uns in den kommenden Jahren weiterhin intensiv widmen müssen.