Bedeutung und Umfang der Kompetenz des Vertretungsbeistandes des Kindes

Bundesgerichtsentscheid vom 17. Dezember 2015

BGE 142 III 153

 

Strittig ist die Entschädigung der Kindesvertretung (ZPO 299 f.) für ein erst- und zweitinstanzliches Scheidungsverfahren. Das Bundesgericht nahm dies als Anlass, sich umfassend zur Bedeutung des Vertretungsbeistandes des Kindes zu äussern. Zuerst stellte das Bundesgericht zunächst die Lehrmeinungen zusammen (E. 5.2.1) und stellte als Grundsatz fest, dass der Kindesvertreter nicht in erster Linie subjektive Standpunkte zu vertreten, sondern das objektive Kindeswohl zu ermitteln und zu dessen Verwirklichung beizutragen hat, mithin eine im eigentlichen Sinn anwaltliche, auf den subjektiven Standpunkt des Vertretenen fokussierte Tätigkeit nicht angezeigt ist (E. 5.2.2). Im Anschluss an diesen Grundsatz hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass die Kindesvertretung verschiedene Aspekte hat, welchen je nach Alter des Kindes und Situation des Einzelfalls unterschiedliches Gewicht zukommt (E. 5.2.3). Zunächst geht es um Abklärungen und damit um eine umfassende, elternunabhängige und neutrale Sammlung des einschlägigen Prozessstoffes (E. 5.2.3.1). Sodann begleitet die Kindesvertretung das Kind durch den Prozess; dabei kommt ihr eine «Übersetzungs-» und Vermittlungsfunktion zu (E. 5.2.3.2). Schliesslich nimmt der Kindesvertreter prozessuale Rechte wahr wie namentlich die Beschwerdeführung (E. 5.2.3.3). Die Aufgaben der Information, Kommunikation und Betreuung können bei älteren Kindern in Richtung einer «advokatorischen Interessenvertretung» erweitert werden. Indes ist Urteilsfähigkeit des Kindes umso später anzunehmen, je abstrakter die Fragestellung ist. Die Tragweite von Fragen der Obhut, der elterlichen Sorge oder von Kindesschutzmassnahmen sind auch für ältere Kinder schwerlich überblickbar. Immerhin wird die subjektive Meinung des Kindes mit zunehmendem Alter eine stets wichtigere, wenn auch nicht ausschlaggebende Entscheidungsgrundlage. Dadurch ändert sich aber nichts an der prozessualen Funktion der Kindesvertretung, dem Gericht das objektivierte Kindeswohl zu vermitteln (E. 5.2.4).