Die besondere Verletzlichkeit minderjähriger Opfer ist augenfällig. Wenn Kinder den Mut und die Kraft finden, über das Erlebte zu sprechen, erwartet sie häufig ein langwieriges und emotional aufwühlendes Verfahren. Den Behörden und Gerichten, welche Verfahren mit minderjährigen Opfern durchführen, ist dieser Umstand bekannt. Eine grundsätzliche Sensibilität für die vulnerable Situation dieser Kinder ist vorhanden. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich die Praxis im Umgang mit minderjährigen Opfern in den verschiedenen Kantonen erheblich. Dieser Umstand ist unbefriedigend, denn gerade bei der Arbeit mit minderjährigen Opfern ist ein professionelles und kindgerechtes Vorgehen von grösster Relevanz.
Fundament kindgerechter Verfahren ist die umfassende Information und Beratung minderjähriger Opfer. Eine solche ist die Basis wirkungsvoller und zielführender Partizipation. Interaktionen mit minderjährigen Opfern müssen stets kindgerecht, d.h. dem Alter und dem Reifegrad entsprechend, erfolgen. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, sind gezielte Fort- und Weiterbildungen der Fachpersonen unerlässlich, sodass diese das Rüstzeug erhalten, um Verfahren kindgerecht durchzuführen. Von grosser Bedeutung bei der dem Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen entsprechenden Gestaltung von Verfahren ist sodann eine standardisierte Koordination der involvierten Fachpersonen, sodass ein klares Rollen- und Aufgabenverständnis existiert. Es muss auch für das betroffenen Kind absolut klar und transparent sein, welche Behörde /Fachperson welche Aufgaben übernimmt und wer welche Verantwortung trägt. Kompetenzkonflikte, positive wie negative, müssen verhindert werden, denn sie bringen untragbare Unruhen in die Verfahren.
Die vorliegende Zusammenstellung enthält die essenziellen Elemente für kindgerechte Verfahren mit minderjährigen Opfern in der Schweiz. Kindgerechte Verfahren sind das Minimum, was unser Staat den Verletzlichsten unserer Rechtsordnung bieten muss.