Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht (FZA/AuG/EMRK) ab August 2014 bis Ende September 2015

Von: Marc Spescha, Dr. iur., Rechtsanwalt, Zürich, Lehrbeauftragter für schweizerisches Migrationsrecht an der Universität Freiburg i.Ue.

Stichwörter: Familiennachzug, umgekehrter Familiennachzug, gemeinsames Sorgerecht, eheliches Zusammenleben, Nachzugsfristen, Privat- und Familienleben, Frühdelinquenten, Secondos, Recht auf Heimat, Zwangsehe, erfolgreiche Integration, nachehelicher Härtefall, eheliche Gewalt, Widerruf der Bewilligung, Straffälligkeit, Rückfallgefahr, Wahrscheinlichkeitsprognose

Zusammenfassung: Die Übersicht verweist einleitend auf die vom Bundesgericht erstmals bestätigte Anwendung von Art. 45a AuG, der eine Sistierung des Nachzugsverfahrens bei Verdacht auf migrationsrechtlich relevante Ungültigkeitsgründe der Ehe vorsieht. Ein ausführliches Kapitel widmet sich der Frage der Geltung von Nachzugsfristen (auch beim Ehegattennachzug), dem Fristbeginn bei Nachzügen, die allein auf Art. 8 EMRK gestützt werden, sowie einem nachträglichen, vom Bundesgericht bewilligten Familiennachzug. Referiert werden sodann Urteile zum Begriff der erfolgreichen Integration und zu nachehelichen Härtefällen, denen eheliche Gewalt zugrunde lag. Zahlreiche Urteile befassen sich, wie in früheren Berichtsperioden, mit Konstellationen des umgekehrten Familiennachzugs, wo die faktische Beziehung zwischen Elternteil und Kind zunehmend in den Vordergrund rückt und das Kriterium des «tadellosen Verhaltens» des aufenthaltswilligen Elternteils relativiert. Anstelle zwingender Bewilligungskriterien wird die bisherige Bewilligungspraxis durch eine Gesamtbetrachtung und die Akzentuierung des Kindeswohls gelockert. Im Regelfall des gemeinsamen Sorgerechts erscheint eine entsprechende Lockerung erst recht geboten. Nach einem kurzen gedanklichen Ausflug zum ehelichen Zusammenleben in einem Grosshaushalt leitet ein instruktives Urteil zum Anspruch auf Neuprüfung des Aufenthaltrechts im Nachgang zu einer Straftat über zu zwei Urteilen, die das Verbleiberecht von jungen straffälligen Secondos betreffen («Recht auf Heimat»), wobei im Falle eines freizügigkeitsberechtigten Täters die Rückfallgefahr das massgebliche Beurteilungskriterium darstellt.

  FamPra 1/2016 Seite 171 ff.   www.zeitschriften.recht.ch