Kindesvertretung in familienrechtlichen Verfahren – Streiflichter aus Praxis und Theorie

Ausgangspunkt bildet ein Entscheid des Bundesgerichts verwiesen, in welchem Pflichtenheft und Profil der Kindesvertretung festgehalten sind (BGer 5P.84/2006). Die Autorin unterscheidet zwischen Innen- und Aussensicht einer Vertretung des Kindes. Die Innensicht umfasst die Unabhängigkeit als eine von Gerichten und Behörden unabhängige Instanz. Diese Unabhängigkeit bezieht sich darauf, dass die Kindesvertretung nicht weisungsgebunden handelt und ihre Arbeit nicht an eine andere Stelle delegieren kann bzw. delegiert werden kann. Bezüglich Arbeitsweise werden methodische Unabhängigkeit und kreative bzw. unkonventionelle Vorgehensweisen genannt. Um die Sicht des Kindes und seine Anliegen einzubringen, muss eine direkte Begegnung zwischen Kindesvertreter/in und Kind stattfinden.

Bei der Übermittlung von Anliegen und Willen des Kindes ist die Vertretung dem Kindeswohl verpflichet. Um mögliche Konflikte zu vermeiden oder zu entschärfen, müssen advokatorische (Kindeswillen-orientierte) und vormundschaftliche (Kindeswohl-orientierte) Anteile bewusst und transparent gehandhabt werden. Ein eigenes Kapitel ist der Frage des Kindeswillens im Fall von Rückführungsverfahren gewidmet. Die Aussensicht befasst sich mit den Leitlinien des Europarates für eine kindergerechte Justiz. Im Schlusskapitel vertritt die Ansicht, dass mit Inkrafttreten der neuen Rechtsgrundlagen in der Schweiz die Verfahrensrechte des Kindes gestärkt und die Kindesvertretung gerichts- und behördenfähig geworden ist. Das Bundesgericht habe den Einsatz von Kinderanwälten und Kinderanwältinnen auch in monetäre Hinsicht gewürdigt, indem es Beschwerden gegen zu tiefe Entschädigungen guthiess und festhielt, diese dürften nicht so tief angesetzt werden, dass eine sorgfältige Vertretung nicht mehr möglich sei

(BGer 5A_168/2012; 5A_701/2013). 

 

 

Autorin:  Regula Gerber Jenni,